Thomas Feurstein

* 1964 in Bregenz, Studium der Germanistik und Geografie, Biblio­thekar und Leiter der Abteilung Vorarlbergensien an der Vorarlberger Landes­bibliothek seit 1998.

 

Philipp Wittwer

Archivar im Stadt­archiv Dornbirn

Sonne, Licht und Schatten …

Juni 2020

Sonne, Licht und Schatten prägen die Fotos von Franz Beer (1896 – 1979), die ein Vorarlberg zeigen, wie wir es heute nicht mehr kennen. Seine hochwertige Rolleiflex-Kamera begleitete ihn stets auf seinen zahllosen Wanderungen durch den Bregenzerwald, das Montafon und das Tannberggebiet. Schnelles Arbeiten war nicht sein Stil, seine Tochter, die ihn oft auf seinen Fototouren begleitete, erzählte: „Oft warteten wir stundenlang auf die Sonne, vom Morgen bis in den Nachmittag, bis sich die richtige Stimmung einstellte.“

Obwohl Franz Beer, abgesehen von seiner Funktion als Werksfotograf bei der Firma Hämmerle, nie Berufsfotograf war, wurden seine Fotos in einer Vielzahl von Publikationen veröffentlicht. Sei es beginnend in einem Buch über die Dornbirner Standschützen im 1. Weltkrieg, später dann in regionalen Zeitungen, bis hin zu Porträts über die Stadt Dornbirn. 
Angetan hatte es ihm, der sich selbst vor allem als Landschaftsfotograf verstand, besonders das „Ursprüngliche“, die Bauernschaft, das Manuelle, das karge Leben in den Bergen. Von Siegfried Fussenegger erhielt er ab den 1920er Jahren immer wieder kleine fotografische Aufträge. Um 1940 erhielt Beer schließlich seinen größten Auftrag: die Dokumentation Vorarlbergs Landschaft und seiner bäuerlichen Bewohner für ein von Fussenegger geplantes Museum, welches 1960 als Vorarlberger Natuschau seinen Abschluss fand. Viele seiner bekanntesten Bilder entstanden im Zuge dieses Auftrags in den Sommern bis 1943. Beers fotografischer Stil, der das Heroische, Strebsame und Fleißige einer gesunden und naturverbundenen Vorarlberger Bevölkerung betonte, passte in den Zeitgeist. In der Nachkriegszeit wurden Beers Fotos oft in Bildbänden verwendet, in denen die Schönheit Vorarlbergs gezeigt werden sollte. Schon 1949 erschien „Das Land Vorarlberg – Die Heimat in Bildern“, in dem der damalige Landeshauptmann Ulrich Ilg im Vorwort von den Besonderheiten des Landes schwärmt, „die es Wert sind, im Bilde festgehalten und weiten Kreisen zugänglich gemacht zu werden.“ Die Landschaftsaufnahmen und die abgelichtete bäuerliche Idylle bei Beer waren damals bestens dazu geeignet, zum Selbstverständnis Vorarlbergs beizutragen und die Schrecken des noch nahen Weltkriegs vergessen zu machen. 1991 machte eine Ausstellung des Landesmuseums und der Stadt Dornbirn im Landeshauptmann-Rhomberg-Haus auf die Bedeutung Beers aufmerksam. Im dazugehörigen Katalog, übrigens von Reinhold Luger gestaltet, machten sich schon vor fast 30 Jahren Leute wie Helmut Swozilek, Werner Matt oder Ernst Hiesmayr Gedanken über die Bedeutung von Franz Beer als Fotografen.
Mitte der 2000er Jahre veröffentlichten Oliver Benvenuti und Werner Matt schließlich zwei prachtvolle Bildbände mit seinen Fotos über das „Bauernland“ und die „Bergheimat“ Vorarlbergs.
Im Wissen, einen kulturgeschichtlich wertvollen Bestand geschaffen zu haben, vermachte er noch zu Lebzeiten sein Fotomaterial dem Archiv seiner Heimatstadt Dornbirn. Darum lagern dort heute sorgsam verwahrt mehrere Tausend Fotonegative, die aber abgesehen von den veröffentlichten Highlights nur einer kleinen Expertenschar vorbehalten sind. Eine Kooperation des Dornbirner Stadtarchivs mit der Vorarlberger Landesbibliothek macht es nun möglich, diesen kulturgeschichtlichen Schatz gemeinsam zu heben. Beide Institutionen bringen ihr regionalgeschichtliches Wissen ein, das Stadtarchiv Dornbirn stellt die Originale und Erfassungsdaten zur Verfügung, die Landesbibliothek steuert ihre Erfahrung bei der Digitalisierung und Veröffentlichung von Fotosammlungen bei. Die Coronakrise und der damit erzwungene Abstand vom Tagesgeschäft machten es möglich, dass sich Mitarbeiter über einen längeren Zeitraum mit der Sammlung Beer befassen konnten: Somit werden nach der Katalogisierung und inhaltlichen Erschließung vorraussichtlich im Laufe des Herbsts rund 4000 Beer-Fotos online über das Fotoportal der Landesbibliothek zugänglich gemacht. (www.vorarlberg.at/volare)

Die wohl bekanntesten Fotos von Franz Beer zeigen Motive aus dem bäuerlichen Leben, hauptsächlich aus dem Hinteren Bregenzerwald, dem Montafon oder dem Großen Walsertal. Anlässlich der Ausstellung 1991 stellte der Raumplaner und Heimatforscher Helmut Tiefenthaler fest: „Es sind Aufnahmen, die bevorzugt das ins Bild bringen, was man einmal unter Heimat verstanden hat. Das mag heute mehr denn je nostalgische Gefühle wecken, Heimweh nach einer zivilisatorisch unverdorbenen Lebenswelt.“ Auch wenn man sich bewusst sein muss, dass die Motive von der zeitbedingten Ideologie geprägt waren, zeigen die Fotos in vielen Details das Bild einer bäuerlichen Kulturlandschaft. So gibt es etwa zahlreiche Fotos, die dokumentieren, wie in bergbäuerlicher Umgebung die Heuernte eingefahren wurde. Als Resümee schrieb Tiefenthaler damals: „Das war tatsächlich eine andere Zeit, wenn auch in den oft sehr unbequemen Existenzbedingungen gewiss keine heile Welt. Aber es war immerhin eine Lebenswelt mit der Faszination einer Kultur naturverbundener Einfachheit und Gemächlichkeit, die Franz Beer in ihrer Endphase auf vielen Bildern durchaus repräsentativ dokumentiert hat.“
Grund genug für die Gedächtnisinstitutionen des Landes, sich der Bilder anzunehmen und sie in einer zeitgemäßen Form einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren.

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