
Cordoba78 – zwischen Bühnenromantik und Businessplan
Mit Fußball per se hat unser Projekt wenig zu tun“, meint Sänger Carlo Giulio Sossella. „Aber dieses Wort beschwört den dramatischen Geist eines legendären Moments.“ Einen Geist, der für ein paar Minuten ein Land glauben ließ, dass alles möglich sei.
4x Vorarlberg, 1x Niederösterreich
Diese Haltung zieht sich wie ein roter Faden durch die noch junge, aber bereits ereignisreiche Bandgeschichte. Erst seit etwa zwei Jahren spielen sie in ihrer heutigen Formation zusammen – und dennoch wirkt vieles erstaunlich gefestigt. Cordoba78, das sind vier Vorarlberger und ein Niederösterreicher, die sich über ein Netzwerk aus Musikschulen, Jam-Sessions, Maturabällen und Zufällen begegneten. Neben Sossella gehören Gitarrist Tobias Fussenegger und Pianist Paul Pichler zur Gründungsformation. Als im Oktober 2023 die Anfrage eintrudelte, für die Vorarlberger Band EFEU als Support aufzutreten, war die Begeisterung groß, aber es fehlten Bass und Drums. Zwei Anrufe später war auch dieses Problem gelöst: Schlagzeuger Alex Fetz und Georg Pinter komplettierten Cordoba78. Aus der Not erwuchs so eine neue Konstellation – und der erste Auftritt im Flex Café Wien wurde zu einem kleinen Triumph. Im Publikum befand sich – zufällig – unter anderem ihr künftiger Produzent, ein halbes Jahr später im April 2024 erschien folgerichtig die Debüt-EP „Schnulzen“. Der Titel klang augenzwinkernd, die Musik war ein bisschen roh, ein bisschen ungezähmt – und genau deshalb so nah dran am Kern dessen, was Cordoba78 ausmacht. „Ein Ritt durch spontane Ideen“, nannten sie es selbst. Ein Ritt, der sie zu zwei ausverkauften Release-Shows führte, erst in die Flucc Wanne Wien, dann zum Jahresausklang in den Spielboden Dornbirn.
Ein Sommer voller Bühnen
Der Sommer 24 war für Cordoba78 ein Sommer voller Bühnen – Graz, Wien, Linz, Dornbirn – und der Moment, in dem Instagram den Lauf der Dinge verändern sollte. Als sie bemerkten, dass die bekannte deutsche Band JEREMIAS ihnen folgte, schrieben sie kurzerhand eine Nachricht. Wochenlang keine Reaktion. Dann ein Anruf: Ob sie Lust hätten, als Support beim „Frischluft Openair“ in Linz zu spielen. Auch Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys wurden durch ihre Social-Media-Präsenz auf sie aufmerksam. So spielten sie sich innerhalb weniger Monate von der ersten Balkon-Session auf die großen Bühnen – ein Aufstieg, der heute ohne professionelles Online-Marketing kaum denkbar wäre.
Doch wer glaubt, Cordoba78 wäre nur eine Band unter vielen, die dem Algorithmus hinterherläuft, unterschätzt sie. Ihre musikalischen Wurzeln sind erstaunlich tief. Carlo, Paul und Alex haben Jazz-Seminare besucht, Tobias hat schon früh in der Musikschule Gitarre gelernt, Georg stammt aus einer Familie, in der der Vater Musikschuldirektor war. „Wir haben das Glück gehabt, dass wir von klein auf die bestmögliche musikalische Ausbildung genießen durften“, erklärt Carlo. Und tatsächlich liegt hier ein Grund, warum viele junge Bands heute auf einem so hohen Niveau agieren: Musikschulen und Ausbildungsstätten haben sich geöffnet, auch für Popularmusik. Die Qualität der Lehrerinnen und Lehrer ist gestiegen, und wer heute ein Instrument erlernt, kann sehr früh Erfahrungen sammeln, die früher nur Profis vorbehalten waren.
Cordoba78 nutzen dieses Fundament – und brechen es zugleich auf. Ihr Sound ist ein Hybrid: Blues, Rock, Jazz, südamerikanische Rhythmen, eingängiger deutscher Pop. „Wir nehmen das Beste aus allem, was uns gefällt, und bauen uns unsere eigene Welt,“ erklärt Gitarrist Tobias. Dass daraus Songs entstehen, die sie selbst als „verwirrte, schwierige Kinder“ bezeichnen, ist kein Zufall. „Wir definieren vorab nicht, was wir machen werden,“ ergänzt Alex. „Aber deutscher Popsound schwingt immer mit.“
„Anfang – Mitte – Zwanzig“
Die zweite EP „Anfang – Mitte – Zwanzig“, im Sommer 2024 im italienischen Piemont geschrieben, markierte einen Entwicklungssprung. Dort, in einem Ferienhaus zwischen Espresso, Hitze und dem leisen Rausch des Dolce Vita, nahm die Band sich Zeit, ihren Sound weiter zu verdichten. Dass Cordoba78 inzwischen einem größeren Publikum bekannt ist, ist nicht nur Ergebnis ihrer Musik. Es liegt auch an einem Arbeitsstil, der so präzise ist wie ein Businessplan. „Heute als Garagenband zu starten und auf Entdeckung zu hoffen – das funktioniert nicht mehr,“ sagen sie. „Man muss sich wie ein Unternehmen aufstellen.“ Das heißt: Jede Show wird dokumentiert, jedes Konzert aufgezeichnet, jedes Detail hinterfragt. Wie ist die Dynamik auf der Bühne? Wie können die Übergänge besser werden? Wie wirkt die Show auf Video? Das Publikum, so die Überzeugung, hat ein Recht auf eine Performance, die den Ticketpreis wert ist.
Ihre Tourplanung reicht jetzt schon bis ins Jahr 2026. Diese vorausschauende Organisation ist zwar alles andere als romantisch – aber sie ist notwendig. Denn Popmusik, das zeigt die Geschichte von Cordoba78, hat heute viel mehr mit unternehmerischer Disziplin zu tun als mit der alten Mär vom Zufallsfund der Major Labels. Und doch ist da diese unerschütterliche Romantik. Die Lust, nach dem Konzert in Heidelberg in irgendeiner Bar zu landen. Die Euphorie, wenn ein Song entsteht, der so nah dran ist am eigenen Leben, dass er wie ein offenes Tagebuch wirkt. Die kindliche Freude, wenn sich das Publikum in diesen Momenten wiederfindet.
Vielleicht liegt in dieser Mischung ihr größter Reiz: Sie vereinen das Ideal des authentischen, ungeschliffenen Indie mit der Präzision eines durchdachten Projekts. Und sie tun das ohne Zynismus. Für Cordoba78 bedeutet Pop nicht nur Reichweite, sondern auch Verantwortung. Ihre Haltung gegen soziale Ungerechtigkeit zieht sich durch viele ihrer Texte. Auch der Klimawandel wird thematisiert – nicht mit dem moralischen Zeigefinger, sondern mit dem Anspruch, Denkanstöße zu geben.
Und so werden sie weiter unterwegs sein. Mit dem alten Ford Fiesta, der noch immer Symbol für die Bodenhaftung dieser Band ist. Mit einer Musik, die sich nicht in drei Hashtags zusammenfassen lässt. Mit einer Vision, die größer ist als ihr junges Alter vermuten lässt. Vielleicht ist das, in Zeiten perfekt optimierter Streaming-Hits, die eigentliche Sensation: dass fünf junge Musiker einfach den langen Weg gehen wollen – aus Überzeugung, aus Liebe zur Musik, und aus diesem Restkindheitstraum, den sie einfach nicht loswerden wollen. Übrigens: Aktuell basteln sie in Berlin in den Hansa Studios am neuen Album.
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