Arbeitzsplatzklima und Mitarbeiterfluktuation
Schlechtes Arbeitsplatzklima führt zu höherer Mitarbeiterfluktuation. Das ist kostspielig für Unternehmen. Aber wie verbessert man das Arbeitsplatzklima? In einer Studie in 20 Unternehmen mit insgesamt rund 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe ich kürzlich einen Weg gefunden, wie das Arbeitsplatzklima verbessert, die sozialen Netzwerke in Unternehmen vergrößert und die Mitarbeiterfluktuation reduziert werden konnte.
Sehr viele Menschen fühlen sich an ihrem Arbeitsplatz nicht verstanden. Teammitglieder meinen häufig, dass die Vorgesetzten keine Ahnung hätten, wie anstrengend ihre Arbeit wäre. Vorgesetzte glauben vielfach, dass ihre Teammitglieder die Komplexität der Führung eines Teams und den Druck der Unternehmensleitung auf die jeweiligen Vorgesetzten überhaupt nicht einschätzen könnten. Wenn sich aber beide Seiten nicht richtig verstanden fühlen, führt das fast zwangsläufig dazu, dass beide Seiten unzufrieden sind.
Genau das war der Ausgangspunkt einer kürzlich beendeten Studie, die ich mit Sule Alan vom Europäischen Hochschulinstitut und Gözde Corekcioglu von der Kadir Has Universität in 20 großen Unternehmen in der Türkei durchgeführt habe und die in Kürze in der Fachzeitschrift „Quarterly Journal of Economics“ erscheint. Eine erste Befragung unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ergab, dass sich sowohl Vorgesetzte als auch Teammitglieder von der jeweils anderen Seite nicht verstanden und zu wenig geschätzt fühlten.
Als wichtigste Gründe, ein Unternehmen zu verlassen, gaben die befragten Personen eine toxische Unternehmenskultur mit Mobbing und Freunderlwirtschaft und schlechte Vorgesetzte an. Das passt zu internationalen Daten, wonach ein Arbeitsplatzwechsel in mehr als der Hälfte der Fälle auf eine schlechte Unternehmenskultur und schlechte Führungskräfte zurückgeführt wird.
Mit Unterstützung eines Beratungsunternehmens entwickelten wir eine Intervention zur Verbesserung des Arbeitsplatzklimas und der Führungskultur in Unternehmen. Diese Intervention bestand im Wesentlichen aus zwei Teilen.
Im ersten Teil boten wir in den Firmen Workshops über Feedback, eine wertschätzende Sprache und vor allem zu Rollenspielen an. In letzteren wurden Personen in unterschiedlichen Funktionen und aus unterschiedlichen Abteilungen in Teams zusammengeführt und mussten eine für die jeweilige Unternehmung typische Aufgabe bearbeiten. Dabei konnte zum Beispiel ein einfaches Teammitglied die Vorgesetzten-Rolle übernehmen und eine Führungskraft die Aufgabe eines Sachbearbeiters. Ziel dieser Rollenspiele war es, dass die Teilnehmer durch einen Perspektivenwechsel die Sichtweise anderer Personen in der Firma besser nachvollziehen konnten. Im zweiten Teil der Intervention mussten Abteilungsteam spezifische Projekte entwickeln, die vom Beratungsunternehmen begleitet und abschließend dem Vorstand im jeweiligen Unternehmen präsentiert wurde. Dabei ging es etwa um Mentoring-Programme oder verbesserte Kommunikationsabläufe im Umgang mit Kundinnen und Kunden.
Zu Beginn unserer Studie teilten wir die 20 Unternehmen – die ganz verschiedenen Branchen angehörten, etwa der Chemie-, Bau- oder Textilindustrie – zufällig in zwei Gruppen mit jeweils zehn Unternehmen ein. In beiden Gruppen wurde dann eine Basisbefragung durchgeführt. Dabei ging es vor allem um die Arbeitsplatzzufriedenheit, aber auch um die sozialen Netzwerke im Unternehmen. Letztere erhoben wir etwa durch die Frage: „Wenn Sie ein berufliches Problem bei Ihrer Arbeit haben, wen fragen Sie dann um Rat?“.
Dann wurde in der ersten Gruppe mit zehn Unternehmen unsere Intervention über einen Zeitraum von circa drei Monaten umgesetzt. Nach knapp über einem halben Jahr gab es dann eine Endbefragung in allen 20 Unternehmen und erst danach bekam die zweite Gruppe mit den weiteren zehn Unternehmen die Intervention. Das bedeutet, dass bei der Endbefragung eine Gruppe schon die Intervention hinter sich hatte, die zweite Gruppe aber noch nicht. Damit lässt sich der Effekt der Intervention sauber messen.
Unsere Intervention hatte eine sehr breite und positive Wirkung. Für die Unternehmen am wertvollsten war das Ergebnis, dass sich die Mitarbeiterfluktuation substanziell verringerte. Dies gilt insbesondere für Führungskräfte, wo in den zehn Unternehmen mit der Intervention die Kündigungswahrscheinlichkeit um über 50 Prozent zurückging. Hand in Hand mit der geringeren Fluktuation hatte die Intervention die Arbeitsplatzzufriedenheit stark erhöht. Vor allem Teammitglieder beurteilten die Führungskräfte nach der Intervention positiver und schrieben ihnen mehr Empathie und Führungsqualitäten zu. Für uns als Forscher war auch sehr interessant, dass sich die sozialen Netzwerke stark veränderten. In der Kontrollgruppe der zehn Unternehmen, die die Intervention erst nach unserer Endbefragung erhielten, gaben 13 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, dass sie gar niemanden in ihrer Abteilung um Rat fragen, wenn sie berufliche Probleme haben. Bei den anderen zehn Unternehmen war dieser Wert nur mehr bei sechs Prozent, was zwar immer noch relativ hoch ist, aber eine deutliche Verstärkung der sozialen Netzwerke und der Bereitschaft, sich mit anderen auszutauschen, zeigt. Zuletzt fanden wir durch experimentelle Maße auch noch, dass die Kooperationsbereitschaft in den Unternehmen durch die Intervention gesteigert wurde.
In Summe stimmen uns unsere Befunde optimistisch, dass die Zufriedenheit am Arbeitsplatz verbessert werden kann, was eine Reihe von positiven Auswirkungen auf alle Beschäftigten, aber auch auf das Unternehmen als Ganzes haben kann. Dazu passt der (im Original türkische) Name des Beratungsunternehmens, mit dem wir zusammenarbeiteten: „Es muss nicht so sein!“ Dieses Unternehmen war von Personen gegründet worden, die unter einer schlechten Unternehmenskultur gelitten hatten und etwas dagegen unternehmen wollten. Dass das tatsächlich Erfolg haben kann, konnten wir mit unserer Studie zeigen.
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