Ulrike Delacher

Die gebürtige Tirolerin studierte Germanistik und Integrierte Kommunikation. Sie leitet die Unternehmenskommunikation bei der Vlbg. Krankenhaus-Betriebsgesellschaft.

(Foto: © Matthias Weissengruber)

Einmal tief Luft holen … und sich über die Lungenheil­kunde in Vorarlberg informieren

Juni 2016

Wer meint, dass das Herz der Motor des Körpers ist, mag recht haben. Nur: Ein Motor läuft nicht ohne passenden Treibstoff – und hier kommt der Atmungsapparat des Körpers ins Spiel,
der über das Blut Sauerstoff in den Körper hinein- und Stickstoff abtransportiert. Gibt es Funktionsprobleme bei der Atmung, ist der Lungenfacharzt gefragt. Vorarlbergs Abteilung für Pulmologie ist am LKH Hohenems situiert, Leiter der Abteilung ist Primar Dr. Peter Cerkl.

Jeden Tag atmen wir zwischen 10.000 und 20.000 Liter Luft ein und aus, das entspricht der Füllung eines mittelgroßen Heißluftballons. Pro Atemzug atmen wir 0,5 Liter in Ruhe ein, bei Belastung 2,5 Liter, Spitzensportler kommen auf 4 Liter Luft beim Einatmen. Pro Minute nehmen wir 350 ml Sauerstoff auf und geben 260 ml C02 ab. Das Be- und Entladen von Sauerstoff in den Lungenbläschen dauert eine Viertelsekunde. „Das medizinische Fachgebiet der Pulmologie oder auch Pneumologie (lat.: „pulmo“, griech.: „pneumon“ – Lunge) beschäftigt sich mit Lungen­erkrankungen“, erklärt Chefpulmologe Cerkl. Typisch sind obstruktive (Verschluss, Verengung) Erkrankungen wie Asthma oder COPD (chronical obstructive pulmonary disease), Rippfellerkrankungen, Infektionen wie schwere Lungenentzündungen oder TBC und interstitielle Lungenerkrankungen (entzündliche Veränderungen im Lungengerüst). Schwerpunkt in Hohenems sind neben der Diagnose und Therapie der obstruktiven Atemwegserkrankungen und Infektionen der Lunge auch die Behandlungen von Tumorerkrankungen des Atemapparats. „Am LKH Hohenems behandeln wir das gesamte Spektrum der Lungenerkrankungen und arbeiten mit der Thoraxchirurgie in Feldkirch sowie dem thoraxchirurgischen Expertisezentrum des AKH Wien zusammen.“

Rauchen rächt sich

Lungenerkrankungen können vielerlei Ursachen haben: Sie können beispielsweise eine Begleiterkrankung im Fall der Autoimmunerkrankung Rheuma sein, bei welcher sich die Entzündung auch auf die Atemorgane ausgedehnt hat. Asthma und andere Allergien haben als Ursache auch Umweltallergene oder Berufsbelastungen, die mithilfe von Allergietests und sogenannten Provokationsmessungen etwa Bäckerasthma mit Mehl diagnostiziert werden. „Gerade in den letzten Jahren waren einige bösartige Rippfell-Tumoren in Vorarlberg aufgetreten. Diese rühren von einer Asbest-Exposition in den 70er-Jahren her, als Asbest für Brandschutz noch zugelassen war und viele Vorarlberger beruflich als Schlosser, Installateure und Dachdecker Kontakt mit Asbest hatten. Eine typische Folgeerscheinung dieser Berufsbelastung ist das Mesotheliom, der bösartige Rippfelltumor, der bis zu 40 Jahre später erst auftritt.“ Für die bösartigen Tumore gilt grundsätzlich: Insgesamt 90 Prozent der Lungentumoren gehen auf die Ursache Rauchen und somit auf den Lebensstil zurück.

Besonders aggressiv: Lungenkrebs

Am LKH Hohenems werden vor allem Tumorpatienten behandelt: „Kommt ein Betroffener zu uns, klären wir zuerst ab, ob die Tumorerkrankung operabel ist oder nicht. In letzterem Fall behandeln wir je nach Tumor mit klassischer Chemotherapie.“ Operabel bedeutet, dass der Tumor nicht bereits in andere Organe oder in die Lymphknoten gestreut hat. Allerdings hat sich hier die Medizin weiterentwickelt, die Therapien sind hier individueller auf den Patienten zugeschnitten. Beispielsweise kommen auch Immuntherapien oder orale Tumortabletten zum Einsatz. Immuntherapie bedeutet, dass die Eigenabwahr des Körpers gestärkt wird. „Das sind in der Forschung die neuesten Medikamente. Hier wird ein Antigen des Tumors blockiert, sodass die körpereigene Abwehr zum Einsatz kommen kann. Die Tumortabletten blockieren die Tumorrezeptoren und hindern damit das Zellwachstum des Krebses.“ Allerdings gilt es für die Mediziner im sogenannten Tumorboard, einem Gremium aus verschiedenen Fachmedizinern, genau abzuklären, welche Therapie für welche Krebserkrankung die beste ist. Am LKH Hohenems werden jährlich bis zu 160 Neudiagnosen gestellt, österreichweit erkranken ca. 4500 Menschen jährlich am gefährlichen Lungenkrebs, die Fünf-Jahre-Überlebensrate liegt bei etwa 19 Prozent.

Wenn die Luft wegbleibt

„Grundsätzlich gilt: Wer länger als drei Monate hustet, soll sich vom Arzt kontrollieren lassen“, empfiehlt Cerkl. Langanhaltender Husten oder Schmerzen beim Atmen werden zuerst mittels Röntgenaufnahmen und/oder Computertomografie abgeklärt. Daneben führen die Pulmologen zur genaueren Abklärung auch Gewebsentnahmen (Broncho- und Thorakoskopien – Lungen- und Rippfellspiegelungen) durch. Am bekanntesten ist der Lungenfunktionstest, der Vitallungenkapazität, Lungenvolumen und Atemdruck misst. Der Ergospirometer (wie Ergometer) dient der Leistungsmessung – gemessen werden Atemfluss sowie CO2-Werte, damit testen etwa Sportler ihre Belastbarkeit. Eine weitere bekannte Diagnoseeinrichtung der Abteilung ist das Schlaflabor. Hier werden Apnoen (Atemstillstände) und ihre Ursachen abgeklärt. „Wir sprechen nicht nur von obstruktiver Schlafapnoe durch das Schnarchen. Auch COPD-Patienten oder Menschen mit einem Adipositas-Hypoventilationssyndrom, durch die Einengung des Atemmuskels – des Zwerchfells – ausgelöst, werden hier untersucht.“ Bei solchen Atemstillständen kann mittlerweile dank neuer Medizintechnik einfach Abhilfe geschaffen werden: Jährlich erhalten rund 700 Betroffene eine nicht invasive Heimbeatmungstherapie in Form einer technischen Atemhilfe, die der Patient mit nach Hause mitnehmen kann.

Forschung: Trend zur Individualisierung

Was die Forschung im Fach der Pulmologie anbelangt, ist man in Hohenems auf dem neuesten Stand: „Gerade bei Asthma und COPD hat die Forschung viele Vorteile für die Patienten gebracht: Die Therapien lassen sich individualisieren und an die einzelnen Bedürfnisse anpassen. So helfen bei schwerem Asthma monoklonale Antikörper im Gegensatz zur bisherigen starken Cortisontherapie. In der Tumorbehandlung entstehen fast jedes Jahr neue Mutationen – mit neuen Behandlungsmöglichkeiten wie etwa Immuntherapien –, und die Forschung geht weiter“, ist Cerkl optimistisch.

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