Gesunde Mitarbeiter halten Betriebe gesund
Während die Zahl der Arbeitsunfälle stetig sinkt, steigt die Zahl arbeitsbedingter Erkrankungen. Nicht zuletzt der wachsende Druck in der Arbeitswelt und der Gesamtwirtschaft erhöht die Zahl psychisch bedingter Arbeitsausfälle. Es gibt allerdings viele Betriebe, die umdenken.
Unbegrenzt flexibel, ständig verfügbar, niemals müde – die im Stakkato wiederkehrenden Glaubenssätze der Globalisierung machen immer mehr Beschäftigte und auch Unternehmer selbst krank. Die weltweite Konkurrenz und die gesamtwirtschaftlich angespannte Situation verschärfen die Arbeitsbedingungen für viele Menschen. Das Fatale daran ist, dass der Schein trügt: Die Zahl der Krankenstände geht sogar zurück. Man könnte also durchaus glauben, dass sich die Situation entspannt.
Der Fehlzeitenreport des Wirtschaftsforschungsinstituts liefert die Erklärung für das Paradoxon und kommt zum Schluss, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der gesamtwirtschaftlichen Situation und den Krankenständen gibt: Geht es der Wirtschaft schlecht, sinken die Krankenstandszahlen. Und zwar deshalb, weil unsichere Arbeitsplätze den Druck erhöhen, trotz gesundheitlicher Probleme weiterzuarbeiten, um den eigenen Arbeitsplatz zu erhalten.
Sichtbar wird das für Betriebe an einem banalen Beispiel: Immer mehr Menschen schleppen sich in Zeiten von Erkältungs- und Grippewellen erkrankt ins Unternehmen. Firmenchefs, die sich über so viel Arbeitseifer freuen, werden nicht selten rasch eines Besseren belehrt, wenn sich nämlich die Viren großflächig im Betrieb verteilen. Wesentlich problematischer, aber ebenso erst auf den zweiten Blick sichtbar werden die Risiken, dass psychische Erkrankungen wie Burn-out unter den Beschäftigten zunehmen. Schätzungen gehen davon aus, dass bis zu zehn Prozent aller Erwerbstätigen bereits an Burn-out erkrankt sind. Genaue Daten gibt es nicht. Nach einer Untersuchung des Humaninstituts in Klagenfurt leiden 53 Prozent von insgesamt tausend Befragten an ihren Arbeitsplätzen unter vermehrtem Druck und fühlen sich mental ausgebrannt. Die psychosomatischen Beschwerden seien um etwa 70 Prozent gestiegen. „Stress ist der häufigste Grund, warum die Leute wieder mit Rauchen, Trinken und Drogenkonsum beginnen. Weitere Auswirkungen: Übergewicht, Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, schreibt Petros Levounis vom Roosevelt Hospital in New York in einer Analyse.
Die Gründe dafür liegen nicht allein in den Unternehmen, sondern in den Rahmenbedingungen. Studien zeigen, wie stark sich die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre auch auf die Gesundheit jener Menschen auswirkt, die Arbeit haben. So gaben etwa 29 Prozent von 1200 in den USA befragten Männern und Frauen an, durch Sorgen und Ängste in Bezug auf die aktuelle wirtschaftliche Situation weniger gut oder weniger lang zu schlafen. Ursachen dafür sind Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten, Schulden, Arbeitsplatzverlust, Hypothekenrückzahlungen und der Verlust der Pensionsvorsorge.
Wirft man einen Blick auf die heimische Verteilung der Krankenstandsgruppen, so zeigt sich, dass im Bereich der psychischen Erkrankungen besonders viele Krankenstandstage anfallen. Mit einer durchschnittlichen Dauer von 39,1 Tagen pro Krankheitsfall werden die anderen Krankheitsgruppen deutlich übertroffen. Der Anteil der Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen wegen psychischer Erkrankungen beträgt mittlerweile 32 Prozent, rechnet der Fehlzeitenreport vor. Bei der Invalidisierung der unter 50-Jährigen betrug die Zuerkennungsquote wegen psychischer Erkrankungen im Jahr 2012 sogar 55 Prozent.
Die Chance zum Gegensteuern liegt aber gerade in den Betrieben und wird auch in Vorarlberg von einer wachsenden Zahl von Arbeitgebern ergriffen, sagt Anita Häfele, Geschäftsführerin des Fonds Gesundes Vorarlberg, der sich stark mit Gesundheitsförderung in Betrieben beschäftigt. Ihre Erfahrung: Während klassische Angebote etwa im Bereich der Verpflegung und Bewegung, die das Verhalten der Beschäftigten beeinflussen sollen, stagnieren, nehmen jene zu, die die Verhältnisse verändern, sagt sie. „Viel passiert hier zum Teil gar nicht mit gesundheitsbewußtem Fokus im Management. Etwa wenn Unternehmen Kommunikation und Abläufe sowie das Personalmanagement verbessern.“ Ändern sich die Verhältnisse dort, wirkt das auch auf die Gesundheit. Und davon profitieren wiederum stark die Unternehmen selbst – durch geringere Fehlzeiten sowie motiviertes und fittes Personal.
Betriebliche Gesundheitsförderung nennt sich eine Strategie mit dem Ziel, Krankheiten am Arbeitsplatz vorzubeugen, Gesundheit zu stärken und das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu verbessern. Gesundheit wird so zum Bestandteil der Unternehmensziele. Das Konzept nimmt Arbeitsbelastungen unter die Lupe und versucht, vorhandenes Gesundheitswissen der Mitarbeiter allen bewusst zu machen und zu nutzen. Schädigende Einflüsse sollen gemeinsam erkannt und abgebaut werden.
Dafür gibt es in Vorarlberg auch öffentliche Unterstützung. Der Fonds Gesundes Vorarlberg – finanziert vor allem über die Gebietskrankenkasse und das Land – fördert betriebliche Projekte mit bis zu 20 Prozent der Kosten und vergibt auch Auszeichnungen. Die VGKK wiederum stellt Unternehmen kostenlos Beratung und Schulungen zur Verfügung, erklärt Häfele. „Die Sozialversicherung bietet interessierten Unternehmen, die betriebliche Gesundheitsförderung umsetzen wollen, Auswertungen und Unterstützungsangebote. Ich wünsche mir, dass bis 2016 ein Drittel der Arbeitnehmer in Betrieben arbeiten, in denen Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter ausdrücklich Teil der Managementphilosophie sind“, begründet Josef Probst, Generaldirektor im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, das österreichweite Engagement der Kassen.
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