Matthias Sutter

*1968 in Hard, arbeitet auf dem Gebiet der experimentellen Wirtschaftsforschung und Verhaltensökonomik, ist Direktor am Max Planck Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn und lehrt an den Universitäten Köln und Innsbruck. Der Harder war davor auch an der Universität Göteborg und am European University Institute (EUI) in Florenz tätig.

Stellenanzeigen ohne Geschlechts- präferenz in Unternehmen

April 2024

Heutzutage gilt es als selbstverständlich (als auch rechtlich verpflichtend), dass bei offenen Stellenanzeigen keine Einschränkung auf ein bestimmtes Geschlecht vorgenommen wird. Das war nicht immer so, denn noch bis vor wenigen Jahrzehnten wurden viele Stellen für ein bestimmtes Geschlecht ausgeschrieben. Hat die Abschaffung einer solchen Einschränkung aber überhaupt etwas an der Geschlechterdiversität in Unternehmen verändert?

In den 1980er-Jahren habe ich viele Sommer in der Glaserei meines Onkels gearbeitet. Im Produktionsbereich stellten wir doppelglasige Fenster her, die oft sehr schwer waren und darum bei der Verladung auf die Lastwagen viel Kraft – und Vorsicht – erforderten. Damals habe ich nicht weiter darüber nachgedacht, dass in diesem Bereich der Firma ausschließlich Männer angestellt waren, während beim Empfang ausschließlich Frauen arbeiteten. Diversität in Arbeitsteams war damals noch kein Thema.
Allerdings wurde in den späteren 1980er Jahren erstmals in Österreich gesetzlich verankert, dass Stellenausschreibungen keine explizite Geschlechtspräferenz enthalten dürfen. Solche Gesetze wurden zu dieser Zeit in vielen europäischen Ländern erlassen. In den USA geschah das in der Mitte der 1970er-Jahre. Die politische Absicht hinter solchen Gesetzen bestand darin, dass die Segregation des Arbeitsmarktes in Branchen mit fast nur Männern oder andere mit fast nur Frauen verhindert werden sollte. Die vielfach beobachtbare Segregation ist nämlich auch ein wichtiger Grund für Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen. Deshalb versprach man sich auch in dieser Hinsicht mehr Gleichheit durch eine Vorschrift, dass Stellenausschreibungen nicht explizit für ein bestimmtes Geschlecht gemacht werden durften.
Anfänglich gab es in Österreich keine Strafen, wenn man entgegen dieser Vorschriften doch eine Person bestimmten Geschlechts in einer Stellenausschreibung suchte. Erst in den 1990er-Jahren und 2004 wurden schrittweise Strafen eingeführt. Im Jahr 2005 startete dann die Gleichbehandlungsanwaltschaft eine große Kampagne und klärte Unternehmen, Arbeitsmarktorganisationen und auch Zeitungen (in denen Stellenausschreibungen veröffentlicht wurden) darüber auf, dass es illegal wäre, in einer Stellenausschreibung eine Person bestimmten Geschlechts zu suchen. Während 2004 noch fast 50 Prozent aller Stellenausschreibungen ein bestimmtes Geschlecht suchten, waren es aufgrund dieser Kampagne im Jahr 2006 nur mehr weniger als fünf Prozent. Seither haben wir uns in Österreich daran gewöhnt, dass Stellenausschreibungen in der Regel allen Geschlechtern offenstehen.
Hat dieser Wandel bei Stellenausschreibungen aber überhaupt etwas an den tatsächlichen Einstellungsentscheidungen von Firmen verändert? Das muss nicht automatisch der Fall sein. Wenn eine Firma beispielsweise eine bestimmte Stelle mit einem Mann besetzen will, dann macht es möglicherweise keinen Unterschied aus, ob die Firma in der Stellenausschreibung das explizit kundtut (wie das vor 2005 häufig der Fall war) oder eben eine vermeintlich offene Ausschreibung (wie nach 2005 üblich) macht. Selbiges Argument gilt auch für Stellen, bei denen Firmen eine Frau suchen.
Darum ist es eine interessante empirische Frage, ob geschlechteroffene Ausschreibungen die Geschlechterverhältnisse in Firmen überhaupt beeinflusst haben. David Card (Wirtschaftsnobelpreisträger von der University of California in Berkeley), Fabrizio Colella (von der Universität in Lugano) und Rafael Lalive (von der Universität Lausanne) haben sich deshalb österreichische Daten von 2000 bis 2010 angeschaut, also fünf Jahre vor dem massiven Wandel in der Ausschreibungspraxis und fünf Jahre danach. Dabei kombinierten sie Daten des Arbeitsmarktservices (AMS) mit Sozialversicherungsdaten. Vor 2005 wurde für circa 20 Prozent aller offenen Stellen eine Frau gesucht und für circa 25 Prozent der Stellen ein Mann. 
Wenn das gewünschte Geschlecht explizit in der Stellenausschreibung genannt war, dann wurde so gut wie immer (in 96 Prozent der Fälle) auch eine Person des gewünschten Geschlechts eingestellt. Nach 2005 wurde aber praktisch immer auf die Nennung eines gewünschten Geschlechts verzichtet, weshalb Card und Koautoren aus den Stellenbeschreibungen und Anforderungsprofilen eine Schätzung erstellten, ob für eine bestimmte Stelle, die nach 2005 veröffentlich wurde, vor 2005 ein bestimmtes Geschlecht gesucht worden wäre (was beispielsweise bei Krankenschwester oder Automechaniker fast immer der Fall gewesen wäre). Diese Schätzung wurde dann auf Stellenausschreibungen nach 2005 angewendet, um zu sehen, welches Geschlecht tatsächlich eingestellt wurde.
Die Ergebnisse der Studie zeigen sehr klar, dass die Abschaffung einer Geschlechtspräferenz in den Stellenanzeigen dazu führte, dass mehr Frauen für Stellen eingestellt wurden, für die vor 2005 ein Mann in der Stellenausschreibung gesucht worden wäre. Umgekehrt wurden für Stellen, die früher für Frauen offen gewesen wären, mehr Männer eingestellt. Die Effekte sind statistisch klar nachweisbar, sie sind aber nicht riesig (was auch nicht zu erwarten war). Frauen werden bei „männlichen“ Stellenausschreibungen (für die vor 2005 explizit ein Mann gesucht worden wäre) im Schnitt um drei Prozentpunkte häufiger eingestellt, während Männer bei „weiblichen“ Stellenausschreibungen ebenfalls um circa drei Prozentpunkte häufiger eine Stelle bekamen. 
Mit anderen Worten, die Arbeitgeber waren offener für Personen des anderen Geschlechts, wenn sie in der Stellenausschreibung nicht mehr explizit ein bestimmtes Geschlecht suchten. In Summe haben diese Effekte zu einer etwas höheren Diversität der Belegschaft im Hinblick auf den Anteil von Männern und Frauen geführt, und zwar sowohl in traditionell männlichen als auch traditionell weiblichen Berufen. Es kann also sein, dass ich heute in der Glasproduktion nicht nur mehr männliche Kollegen hätte.

 

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