Wolfgang Vogelsänger

Vogelsänger (63) ist Direktor der IGS Göttingen, die 2011 mit dem deutschen Schulpreis ausgezeichnet worden ist.

Von Daten zu Taten

März 2019

Wolfgang Vogelsaenger, ehemaliger Leiter der preisgekrönten IGS Göttingen, unterstützt die Mittelschulen in Hard, Wolfurt und Höchst in ihrer Schulentwicklung. Nach mittlerweile vier Jahren Engagement der Wirtschaftskammer Vorarlberg für bessere Schulen im Ländle zieht Vogelsaenger eine Zwischenbilanz – und beschreibt ein Netzwerk, das sich erweitert, einen sich entwickelnden veränderten Leitungsgedanken und eine neue Gesprächskultur.

Das Netzwerk wächst zusammen und erweitert sich. Zusätzlich zu den ursprünglichen drei Schulen sind an den gemeinsamen Entwicklungsvorhaben nun auch die Volksschule in Hard und – in anderer Form – auch das BORG in Lauterach beteiligt. Der inhaltliche Austausch mit dem BORG-Lauterach-Leitungsteam erfolgt auf informeller Ebene, weil die Rahmenbedingungen anders sind als an den zuvor genannten Mittelschulen. Doch auch in Lauterach haben sich durch den Austausch wichtige Impulse für die Schulentwicklung geboten. Zudem schafft die gemeinsame Arbeit Synergien. Nachdem Professor Hermann Veith im Juni 2018 seine letzte Evaluation in den Schulen vorgestellt hatte, arbeiten die drei Schulen arbeitsteilig an allen relevanten Themen und stellen ihre Arbeitsergebnisse den anderen Schulen zur Verfügung.

Umstrukturierte KEL-Gespräche

In den Kind-Eltern-Lehrer-Gesprächen in Wolfurt, Höchst und Hard war aufgefallen, dass einige Kinder Angst vor den Gesprächen hatten, weil sie die Präsentation zu Gesprächsbeginn scheuten, die Diskussion über Noten fürchteten oder Angst hatten, dass bei den Gesprächen „etwas Schlimmes“ zur Sprache käme. In einer Arbeitsgruppe an der NMS Wolfurt haben wir diese Gespräche daher komplett umstrukturiert: Die Noten flogen raus, dafür wird nun die individuelle Entwicklung der Kinder über vier Jahre in den Mittelpunkt gestellt. 
Negative Informationen an die Eltern müssen mit den Schülern im Vorfeld abgesprochen werden und sind auf höchstens zwei negative Mitteilungen beschränkt, die Schülerpräsentation wird nun durch eine gut strukturierte Vorbereitung erleichtert. Die Schülerinnen und Schüler erhalten die Rückmeldung, dass ihre Anliegen gehört und ihre Bedenken so in eine Veränderung der Gespräche umgesetzt wurde, dass sie in der Nacht vor den Kind-Eltern-Lehrer-Gesprächen wieder beruhigt schlafen können.
Die gute Zusammenarbeit im Netzwerk ermöglicht es den Schulen in Hard und Höchst, die in Wolfurt entwickelten Formblätter und Abläufe in den entsprechenden Gremien zu diskutieren und sie gegebenenfalls 1:1 zu übernehmen.

Ein neuer Leitungsgedanke

In Höchst wurde ein Schulleitungsteam geschaffen. Direktorin Gudrun Brunner trifft sich seit drei Jahren wöchentlich mit einem Team von aus den einzelnen Stufen gewählten Kollegen und Kolleginnen, um über Aktuelles, Schulentwicklungsprozesse und andere wichtige Fragen zu sprechen. Beschlüsse werden als Beschlüsse dieses Gremiums ans Kollegium kommuniziert.
In Höchst wurde Ende 2018 auch damit begonnen, die Leitungsstrukturen der Schule in einem Organigramm zusammenzufassen und mit dem Kollegium zu diskutieren. Die Frage war, wo sich die allzuständige Schulleiterin über eine klar definierte Delegation stärker entlasten kann, indem sie Teilzuständigkeiten abgibt. Nun ist klar definiert, wer für die Arbeit in den Fächern, in den Jahrgängen, in der Schulentwicklungsgruppe und anderen Gremien zuständig ist. Heiß wird immer noch der Unterschied zwischen Koordinatoren- und Leitungstätigkeit diskutiert, typisch für Lehrpersonen in Österreich und Deutschland. Eine derartige Leitungsstruktur kann auch bei einem Wechsel des Schulleiters/der Schulleiterin nützlich sein, um bewährte Verfahren in der Schule zu bewahren.
Das in Höchst entwickelte Organigramm wird in Hard und Lauterach als Vorlage genommen, um es an die eigenen Strukturen anzupassen. Auch in Hard und Wolfurt stützen sich die Schuleiter auf eine Gruppe von Kollegen und Kolleginnen. In Hard auf die Clustersprecher von Mittelschule und Grundschule, in Wolfurt auf je nach Schulentwicklungsthemen wechselnde Gruppen. Seit Anfang 2018 stützt sich auch der Schulleiter des BORG Lauterach auf ein Schulleitungsteam.

Digitalisierung

Im Zuge der BIST-Ergebnisse in Höchst und Hard in Verbindung mit den Ergebnissen der wissenschaftlichen Begleitung durch Hermann Veith stellte sich wiederum die Frage, wie man mit leistungsschwächeren Kindern umgehen soll. Auch im BORG Lauterach wird diese Frage im Mittelpunkt der künftigen Arbeit stehen.
Die Ergebnisse legen nahe, dass ein nicht unerheblicher Teil dieser Schülerinnen und Schüler mit den derzeit existierenden Rahmenbedingungen nicht zufriedenstellend gefördert werden kann. Trotz Doppelbesetzung gelingt es nur schwer, schwächere Kinder, die oft in vielerlei Hinsicht gefördert werden müssen, so zu betreuen, dass sie in zentralen Tests besser abschneiden, insgesamt einen besseren Bildungserfolg haben.
In zwei gemeinsamen Fortbildungen wurden die Chancen des Einsatzes von Tablets in diesem Bereich präsentiert. In Hard und Höchst sind seitdem mehrere Klassensätze von Tablets oder iPads im Einsatz. Kinder können individuell Vokabeln lernen, sich fremdsprachige Texte in ihrem individuellen Tempo vorlesen lassen, können motivierende Lernwettspiele im Klassenraum veranstalten, Bildergeschichten mit eigenen Fotos erstellen, Fremdwörter und Vokabeln in der Tischgruppe nachschlagen, mit speziellen Programmen Deutsch lernen und Informationen aus dem Internet besorgen. 
Auch hier gibt es wieder Synergien: Fachgruppen der beteiligten Schulen tagen zusammen und berichten über ihre Erfahrungen. Im Sommer ist geplant, dass Schüler aus Göttingen, die schon seit fünf Jahren intensiv mit iPads arbeiten, eine Fortbildung für einen großen Kreis von Lehrpersonen in Vorarlberg anbieten werden, um zu zeigen, wie man mit digitalen Medien im Klassenraum arbeitet und wie Schüler sind, die Medienkompetenz haben.

Schulleitungen 

Immer wieder hat die Wirtschaftskammer in diesem Prozess festgestellt, wie wichtig die Rolle der Schulleiter und Schulleiterinnen ist. Sie können Entwicklungen bremsen oder beschleunigen. Aus diesem Grund führt die Wirtschaftskammer gemeinsam mit Wolfgang Vogelsaenger ab März 2019 eine Werkstatt „Schule leiten“ für etwa 15 Leiter und Leiterinnen aller Schulformen durch. Die Module sind: „Entlastung durch Teamarbeit“, „Besuch der IGS Göttingen“, „Wie sollen Kinder lernen?“, „Haltungen, Beziehungen und Bindungen“, „Elternarbeit“, „Schulentwicklung und System Schule. Der Blick aus der Wirtschaft“.
Vielleicht könnte auch für die neu teilnehmenden Schulen das Göttinger Tischgruppenmodel von Interesse sein – dieses besondere Modell des kooperativen Arbeitens, das in den beteiligten Schulen in Vorarlberg bereits von vielen Klassen mit großem Erfolg praktiziert wird.

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