Sigi Schwärzler

* 1954 in Dornbirn, Unteroffizier beim Österreichischen Bundesheer, seit 2017 im Ruhestand – zahlreiche Spezialverwendungen, Jagdkommando, Heeresschilehrer- und Bergführer. Lokalhistoriker mit Schwerpunktthemen von Randkulturen im Vorarlberger Raum.

Von verwegenen Burschen und Dammrutschern

April 2020

Vorarlberg, das Land der Schmuggler: Im letzten Teil der Trilogie werden das „Schmuggeleldorado Rheindelta“ und gefährliche Auseinandersetzungen geschildert. Der Götzner Frühmessner Johannes Bohle soll einst auf die Frage, ob denn Schmuggel Sünde sei, geantwortet haben: „Bichtat heats no koan!“

Bis vor 150 Jahren führte zwischen Feldkirch und Gaißau keine Brücke über den Rhein. Personen und Waren wurden auf Fähren befördert. Damit die Boote nicht von der Strömung abgetrieben wurden, waren starke Seile über den Fluss gespannt, mit deren Hilfe die Fährboote hin- und hergezogen wurden. Für die Überfahrt durften die Fährleute eine Gegenleistung verlangen. Die Einheimischen bezahlten mit Mais, Schmalz, Obst oder Most, die Fremden mit Geld. Neben den Fährleuten gab es jedoch auch Männer, die unerlaubt und heimlich Personen und Frachten über den Fluss beförderten, um sich damit etwas zu verdienen. Das führte wiederholt zu Streitigkeiten und einem Gerichtstermin beim Gemeindeammann. So kam es 1808 während der bayerischen Herrschaft in Vorarlberg zum Abschluss einer Schifffahrtsordnung mit dem Kanton St. Gallen, in welcher unter anderem die Kontrolle der Schiffe auf dem Rhein verschärft wurde. Nachts mussten diese nun mit einem Schloss am Ufer festgemacht und die Schlüssel dem Vorsteher oder im Zollamt abgegeben werden. Das hinderte die Bootsbesitzer jedoch kaum beim Schmuggel. Entweder erhielten sie den Schlüssel für eine Gegenleistung vom Verwalter ausgehändigt oder sie besaßen ohnehin mehrere davon. 
Da während des Ersten Weltkriegs der Schmuggel über die Grenze zunehmend größere Ausmaße annahm, entschied die k.k. Behörde, dass die linksrheinischen Gemeinden Fußach, Höchst und Gaißau ab dem 20. Juni 1915 als Ausland zu behandeln seien. Die Zollgrenze wurde damit praktisch ins Landesinnere verlegt, da die Rheingrenze auf diese Weise besser zu überwachen war. Die österreichischen Passkontrollen fanden an den Rheinbrücken statt, dafür konnte man von den drei Gemeinden aus ungehindert in die Schweiz aus- und wieder einreisen – wenn einen die Schweiz ließ. Die Maßnahme dauerte auch nach dem Krieg noch an.
Ein wichtiges und aktives Gebiet beim Schmuggel bildete die Rheingrenze im Bereich des Rheindeltas und der Gemeinde Lustenau, da die Grenze dort nur erschwert überwacht werden konnte. Es mangelte den Menschen nicht nur an Grundnahrungsmitteln, sondern ebenso an Genussmitteln wie Tabakwaren in Form von Zigaretten und Zigarren. Während des Krieges konnte Tabak nur mittels „Raucherkarten“ bei den Finanzwache-Abteilungen erworben werden. Ab Kriegsende war dies dann kaum mehr möglich. Alles was das Tabak-Monopol in Wien anzubieten hatte, waren pro Person wöchentlich „zwei nach Geschmack und Geruch nicht definierbare Pakete Tabak“ – der Feldkircher Anzeiger sprach in diesem Zusammenhang sogar von Gesundheitsschäden: „Das Buchenlaub für den Strohsack und den Tabak für die Pfeife! Das ist unsere Losung.“ Daher, wer rauchen wolle, könne dies „auf ehrlichen Wegen nicht mehr tun, außer er setzt seine Gesundheit mit dem gelieferten Dreck aufs Spiel.“ Der Tabakschmuggel verführe zu unmoralischen Handlungen und greife „wie eine böse Seuche um sich.“ Erleichtert wurde der Schmuggel von Tabak ab 1919, nachdem die Schweizer Behörde das Tabakverbot zum Teil aufgehoben und im kleinen Grenzverkehr die Mitnahme von einem Kilogramm Tabak gestattet hatte. Gottfried Schneider und Heinrich Nägele aus Höchst hatten es jedoch etwas übertrieben. So wurden die beiden am 8. August 1919 mit 2080 Stück Zigarren im Gepäck von Gendarmen des Posten Gaißau aufgegriffen und der Finanzwache überstellt. Ein Leichtes war es hingegen, die eingeschmuggelten Waren zu verkaufen. In Wien wurden in jener Zeit für eine Brissago-Zigarre, die in der Schweiz für zehn oder 15 Rappen gekauft wurde, bis zu zwei Kronen bezahlt. So mancher Schmuggler fuhr, sobald er genügend Ware verfügbar hatte, mit dem Schnellzug nach Wien, um dann nach erfolgreichem Verkauf mit anderen Waren im Gegenzug zurückzukehren.
Kurz vor Weihnachten 1924 war im „Vorarlberger Tagblatt“ folgendes zu lesen: „Am 21. Dezember 1924 um 18 Uhr wurden die in Höchst wohnhaften Johann Blum und Julius Gehrer, als sie mit einem Wagen Streue aus dem Seegebiet das Zollamt nach Höchst passieren wollten, vom Finanzwachrevisor Rupert Obernberger angehalten. Obernberger, der Verdacht nach Schmuggel hegte, kontrollierte den mit Streue beladenen Wagen und stellte fest, dass sich darauf zwei Fässer mit 280 Liter Branntwein und 85 Kilo Mandeln befanden. Nachdem sich die zwei Verdächtigen hinsichtlich des Genussmittels nicht zu rechtfertigen vermochten, versuchten sie ihn zu bestechen. Als Blum aber einsah, dass sich dieser nicht verleiten ließ, versuchte er, sich auf den Finanzer zu stürzen. Obernberger erkannte die Situation und wies Blum an, drei Schritte vor ihm zu bleiben. Gleichzeitig führte dieser aber schon mit seiner mitgeführten Heugabel Hiebe auf den Kopf Obernbergers, so dass dieser bewusstlos zusammenbrach. Daraufhin machte sich Blum aus dem Staub. Obernberger erholte sich sofort und sandte dem Flüchtigen noch drei Schüsse nach, die aber das Ziel verfehlten. Trotz der schweren Verletzung hat der Finanzwachrevisor das Fuhrwerk samt Schmuggelware bis zum Zollamt gebracht. Gehrer wurde dem Bundesfinanzamt in Feldkirch eingeliefert. Nach dem flüchtigen Blum wurde die Fahndung eingeleitet.“

Ein Gemeinderat als Haupt einer Schmugglerbande 

„Wir verlangen die Enthaftung der fünf Höchster Schmuggler, sonst werden wir zu den Waffen greifen! Telegrafieren sie an die Finanz-Bezirksdirektion Feldkirch um die Freilassung. Sollte bis Mittag des heutigen Tages keine telegrafische Antwort einlaufen, so werden wir das Rheindelta von den Finanzern säubern oder sie umbringen und die Offiziere mit den Waffen in der Hand hinausjagen.“ Kämpferisch zeigte sich Eduard Hollenstein, Gemeinderat und Führer der sozialdemokratischen Partei in Höchst, als er mit etwa 50 Mann am Vormittag des 8. August 1919 in der Kanzlei der Finanzabteilung aufmarschierte und vom anwesenden Finanzoberrespizienten Alge verlangte, dass dieses Telegramm umgehendst an die Finanzdirektion in Feldkirch abgesendet wird. Hollenstein wurde hierfür zu sechs Wochen Kerker verurteilt.
Eines Abends rückt eine Bande von etwa 15 Schmugglern hoch beladen vom Wiesenrain aus, um auf kürzestem Weg nach Dornbirn zu gelangen. Kaum sind sie im Ried unterwegs, ertönen Halterufe und gleich darauf fallen Schüsse. Die Schmuggler werfen rasch ihre Last ab und bringen sich mit unglaublicher Schnelligkeit in Sicherheit. Doch einer findet sich nicht zurecht. Um dennoch vor weiteren Schüssen sicher zu sein, legt er sich einfach nieder und stellt sich tot. Die Finanzorgane sammeln die reichliche Beute ein und finden im Dunkel den regungslos da liegenden Mann, der trotz Ansprache keinen Laut von sich gibt. Daraufhin holen sie in einem naheliegenden Haus eine Tragbahre und transportieren den scheinbar Verletzten oder Toten dem Zollamt zu. Als sie zum Ortsrand kommen, springen hinter einem Haus mehrere mit Säcken beladene Gestalten hervor und davon. Gelegenheit für einen zweiten Fang! Unverzüglich stellen die Finanzer die Tragbahre und Schmuggelbeute ab und nehmen die Verfolgung auf. Die Flüchtenden haben sich aber rasch in Sicherheit gebracht. Als die Wachmannschaft zurückkehrt, fehlt die gesamte Beute und lediglich die nun verlassene Tragbahre ist zurückgeblieben. Schmuggler und Stumpen waren ebenfalls verschwunden.
Auch in der Kummenbergregion stellte während der Zwischenkriegszeit für viele das Schmuggeln eine der wenigen Möglichkeiten dar, angesichts ihrer oft tristen sozialen Situation wenigstens zu einem geringen Einkommen zu gelangen. Zudem dürfte das Unrechtsbewusstsein der Bevölkerung in Bezug auf den Schmuggel nicht stark ausgeprägt gewesen zu sein. Im Altacher Heimatbuch ist vermerkt, dass der Götzner Frühmesser Dr. Johannes Bohle auf die Frage, ob der Schmuggel eine Sünde sei, geantwortet habe: „Bichtat heats no koan!“ Im Volksmund hieß es: „Gschmugglat ischt nit gstohla.“ Die Strafen der „Gefällsgerichte“ für Schmuggler waren hoch, in vielen Fällen mussten Geldstrafen in dreifacher Höhe des geschmuggelten Gutes bezahlt oder unbedingte Arreststrafen abgesessen werden. Das bedeutete in der Praxis für nahezu alle „erwischten“ Schmuggler Arrest, denn die verhängten Geldstrafen konnten meist nicht beglichen werden.
Legendär sind die Geschichten über die sogenannten „Schmuggler-Könige“. Meist handelte es sich um verwegene Burschen, die mit einigem Geschick zu einem erheblichen Einkommen und Vermögen gekommen waren und von der Dorfjugend als „Helden“ verklärt und verehrt wurden. Harald Walser listet im Mäder Heimatbuch einige auf: In Mäder betätigten sich besonders die Brüder Albin und Franz Josef Schöch, in Altach Oskar Kopf, Richard Ender und Karl König. Jeder der beiden Brüder Schöch konnte sich unmittelbar nach Kriegsende ein Haus kaufen. In den dreißiger Jahren galt dann Rudolf Kilga aus Neuburg als „Schmugglerkönig“. Er wurde unter dem Namen „Sammas Rudi“ bekannt und soll von 1933 bis 1937 einer der profiliertesten und schnellsten Schmuggler gewesen sein. Nie soll es einem „Dammrutscher“, wie die Zöllner damals spöttisch genannt wurden, gelungen sein, „Sammas Rudi“ einzuholen, auch dann nicht, wenn dieser mit 30 oder 40 Kilogramm Schmuggelware auf dem Rücken unterwegs war. Der wenig freundliche Name „Dammrutscher“ ist darauf zurückzuführen, dass die Zöllner bei ihren Patrouillengängen, vielfach zur Tarnung am Rheindamm im Grase liegend, die Grenze beobachteten. Eine typische Schmugglergeschichte berichtet von einem in stockdunkler Nacht erwischten Mäderer „Schwärzer“, der vom Finanzer mit einem Sack Zucker zum Zollamt geführt wurde. Unbemerkt habe er ein Loch in seinen Sack gestochen, sodass der gesamte Inhalt des Sacks bereits ausgeronnen war, als die beiden das Zollamt erreichten.

Schmuggler beim Alten Rhein erschossen 

Zusammenstöße zwischen Zöllnern und Schmugglern waren in der Zwischenkriegszeit des Öfteren der Fall. So gelang es der Finanzwache am Samstag, dem 18. August 1919, nachts gegen halb zwölf im Lauteracher Ried, fünf bewaffnete Schmuggler, mit zwei Zentner Zigarren (ca. 20.000 Stück) und 18 Kilogramm Zigaretten (ca. 10.000 Stück) auf zwei Fuhrwerken, festzunehmen. Laut „Vorarlberger Tagblatt“ vom 20. August waren alle bewaffnet, zwei mit Revolvern, drei mit Stiletten. Als einer der Schmuggler seine Waffe gegen einen Finanzer richtete, sah er zu seinem Entsetzen, dass drei Revolverläufe der Finanz-Patrouille auf ihn gerichtet waren. Daraufhin ließ er seine Waffe fallen. Die Ware wurde beschlagnahmt, die Schmuggler kamen nachts in die hiesige Fronfeste (Gemeindekotter), tags darauf wurden die Schmuggler der Finanzbezirksdirektion in Feldkirch überstellt. Sie hatten deutsches und deutsch-österreichisches Geld im Betrage von rund 17.000 Kronen bei sich. Anführer war ein Landwirt von Thal bei Sulzberg, seine Gehilfen bayrische Komplizen.
In der Finanzwach-Zeitung des Jahres 1933 wird über den Schmuggel an der Vorarlberger-Schweizer Grenze folgendes berichtet: „An einer wenig benutzten Zollstelle wurden im Laufe von sechs Monaten 11.000 Kilo Zucker, 238 Kilo Kaffee, 23,35 Kilo Tabak und 35 Kilo Mehl, eineinhalb Kilo Tee sowie 19 Kilo Seife beschlagnahmt. Zur besseren Bekämpfung des Schmuggels erhalten jetzt die Zollbeamten Feldstecher, Fesseln und Handraketen.“ 
„Schmuggler an der Hohenemser- Schweizer Grenze von Zollwachorganen erschossen“, lautete dann auch die Schlagzeile im „Vorarlberger Tagblatt“. In der Nacht zum 15. Juni 1933 wurde der Hilfsarbeiter Josef Geiger aus Hohen­ems an der Schweizer Grenze in der Nähe des sogenannten Schindersteges beim Zuckerschmuggel von einem österreichischen Zollwachorgan durch einen Kopfschuss aus der Dienstpistole erschossen. „Der Waffengebrauch erfolgte wegen Fluchtgefahr, weil der Aufgegriffene auf Zuruf des Organes nicht stehen blieb und unter Zurücklassung seiner Schmuggelware die Flucht ergreifen wollte“, ist den Akten zu entnehmen.

Frauen und Schmuggel 

In dem Bild vom Schmuggler als Helden fanden Frauen zunächst keinen Platz. Sie galten weder als fähig dazu noch als kühn genug, Hindernisse zu überwinden. Mitte des 19. Jahrhunderts hat das Bild von der nur passiven Rolle der Frau jedoch eine Korrektur erfahren. Die Motivation für den Schmuggel fand sich in existentieller Not, und von dieser waren Frauen nicht ausgeschlossen – im Gegenteil. Auch für sie war daher Schmuggel eine Möglichkeit, die das Überleben erleichterte. Frauen waren von einer Notlage insbesondere dann betroffen, wenn sie alleinstehend waren und Kinder zu versorgen hatten und darüber hinaus ihr Verdienst meist unter jenem der Männer lag. 
Dass es aber bereits in früheren Zeiten „rabiate Weibsbilder“ gegeben hatte, ist einem Protestschreiben des Zollamtes Lustenau Rheindorf aus dem Jahre 1827 zu entnehmen: „Die bekannte Lustenauer Schwärzerin Katharina Bösch ist zusammen mit anderen verdächtigen Personen an der Grenze festgenommen worden und sollte visitiert werden (Leibesvisitation). Mit Schimpfen über die Grenzaufseher betrat sie mit der den meisten Lustenauern eigenen Grobheit das Amtszimmer. Dabei beleidigte sie das Personal und wollte sich nicht visitieren lassen. Nach Androhung einer Festnahme, jedenfalls bis der Vorgang abgeschlossen sei, willigte sie ein, sich von einer Einnehmerin visitieren zu lassen. Dies ging allerdings schief, denn die visitierende Dame wurde von ihr niedergeschlagen und misshandelt. Der Lokalaufseher eilte zwar zu Hilfe, doch dürfte dies wenig genützt haben, da sich Katharina Bösch völlig entkleidet hatte und so das Ganze im entstandenen Chaos untergegangen ist.“

Die Texte stammen aus dem Buch „Grenzfieber. Land der Schmuggler und Schwärz(l)er“
Sigi Schwärzler, Eigenverlag 2018

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