Matthias Sutter

*1968 in Hard, arbeitet auf dem Gebiet der experimentellen Wirtschaftsforschung und Verhaltensökonomik, ist Direktor am Max Planck Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn und lehrt an den Universitäten Köln und Innsbruck. Der Harder war davor auch an der Universität Göteborg und am European University Institute (EUI) in Florenz tätig.

Sind Unternehmer wettbewerbsfreudiger als Angestellte?

November 2022

Marktwirtschaften basieren auf Wettbewerb. Das gilt ganz besonders für den Wettbewerb zwischen Unternehmen. Darum gelten in der Öffentlichkeit Unternehmer in der Regel als kompetitiver als Angestellte. Aber ist das wirklich so? Oder spielt bei dieser Einschätzung die Erwartungshaltung über angemessenes Verhalten von Unternehmern eine entscheidende Rolle? Eine aktuelle Studie ist diesen Fragen auf den Grund gegangen.

Elon Musk gilt für viele wohl als Paradebeispiel eines innovativen und wettbewerbsorientierten Unternehmers. Dass er auch einige exzentrische Seiten hat, sei nur am Rande vermerkt. Das Beispiel Musk passt zu der Einschätzung vieler Menschen, dass Unternehmer – beiderlei Geschlechts – deswegen Unternehmer sind, weil sie risikofreudiger und kompetitiver sind als Menschen, die als Angestellte ihren Lebensunterhalt verdienen. Dass Unternehmer tatsächlich im Schnitt risikofreudiger sind, dafür gibt es mittlerweile einige Belege. Interessanterweise ist die Datenlage bei der Frage, ob Unternehmer auch wettbewerbsfreudiger – also kompetitiver – sind, allerdings bisher ziemlich dünn.
Aus diesem Grund haben meine Kollegen Loukas Balafoutas von der Universität Innsbruck und Mongoljin Batsaikhan von der Middlesex University in England ein Forschungsprojekt durchgeführt, um die Wettbewerbsfreudigkeit von Unternehmern und Angestellten zu vergleichen. Dazu verwendeten wir eine Aufgabe, wie sie häufig in Studien zur Wettbewerbsbereitschaft verwendet wird. Die Teilnehmer in unserem Projekt mussten einen Tennisball aus drei Metern Entfernung in einen Korb werfen. Ein Versuch war dann erfolgreich, wenn der Ball im Korb blieb – und nicht etwa wieder heraussprang. Jeder Teilnehmer hatte zehn Versuche. Als Belohnung für erfolgreiche Versuche konnte man wählen zwischen zwei Auszahlungsvarianten. In Variante 1 bekam man pro erfolgreichem Versuch einen fixen Betrag ausbezahlt. In Variante 2 bekam man das Dreifache von diesem Betrag pro erfolgreichem Versuch, wenn man besser war als eine zufällig ausgewählte andere Person. Wenn man aber weniger erfolgreiche Versuche als diese andere Person hatte, dann bekam man in Variante 2 gar nichts. Die Wahl der Variante 2 ist also die wettbewerbsfreudige, aber auch die riskante.
An unserer Studie nahmen insgesamt 355 Personen teil, von denen 169 Unternehmer waren, die eine eigene Firma hatten (häufig sehr kleine Firmen), während die anderen 186 Teilnehmer Angestellte, also unselbstständig Beschäftigte, waren. Die Studie wurde in Vietnam durchgeführt, weil wir dort gute Kontakte zu Unternehmerverbänden hatten.

Im Wettbewerb
Bei der Messung der Wettbewerbsbereitschaft – ob also jemand Variante 2 in unserem Experiment wählt – interessierte uns, ob diese davon abhängt, ob die Wahl eines Teilnehmers für andere beobachtbar ist oder nicht. Deshalb teilten wir die 355 Teilnehmer zufällig einer von zwei Bedingungen zu. In der ersten Bedingung musste jeder Teilnehmer zwischen den beiden Varianten der Auszahlung wählen, diese Wahl blieb aber allen anderen Teilnehmern verborgen (weil sie in einem separaten Raum durchgeführt wurde). Mit dieser quasi anonymen Bedingung wollten wir die persönlichen Grundeinstellungen zu Wettbewerb messen, unabhängig davon, ob andere sehen, was jemand tut. In der zweiten Bedingung wurde die Wahl jedes Teilnehmers für andere Teilnehmer sichtbar, und zwar folgendermaßen. Nach der Erklärung der Aufgabe und der beiden Auszahlungsvarianten mussten die Teilnehmer, die Variante 1 wählten, auf eine Seite des Raumes gehen, während die Teilnehmer mit Variante 2 auf die gegenüberliegende Seite gehen mussten. Erst danach gingen alle in separate Räume, um die Ballwürfe durchzuführen. Üblicherweise waren zwischen 20 und 30 Personen immer gleichzeitig bei unserer Studie dabei. Diese Personen kannten sich nicht, aber konnten in der zweiten Bedingung beobachten, welche Variante die anderen Teilnehmer wählten. Diese zweite Bedingung erlaubt also einen Rückschluss darauf, ob das Wettbewerbsverhalten von Unternehmern (und Angestellten) davon abhängt, ob andere sehen, dass man die kompetitive Auszahlungsvariante 2 wählt.
Zu unserer Überraschung stellte sich in der ersten Bedingung heraus, dass bei nicht-beobachtbaren Entscheidungen die Angestellten häufiger die kompetitive Variante 2 wählen (nämlich in 31 Prozent der Fälle), als dies die Unternehmer tun (in 16 Prozent der Fälle). Es ist also nicht so, dass Unternehmer generell kompetitiver als Angestellte sind.

Die Beobachtbarkeit
Interessanterweise aber dreht sich das Verhältnis um, wenn die eigenen Entscheidungen beobachtbar sind. Wenn andere sehen, welche Auszahlung jemand wählt, dann sind Unternehmer kompetitiver als Angestellte. Letztere wählen bei Beobachtbarkeit nur mehr in 18 Prozent der Fälle Variante 2, während Unternehmer das dann in 25 Prozent der Fälle tun. Hier sind Unternehmer also wettbewerbsfreudiger. Das deutet darauf hin, dass es bestimmte Erwartungen über das angemessene Verhalten von Unternehmern und Angestellten gibt, die bei Beobachtbarkeit des eigenen Verhaltens schlagend werden.
Wir konnten das durch weitere Befragungen untermauern, um unsere Ergebnisse erklären zu können. Der Aussage „Ich trete gerne in einen Wettbewerb, wenn andere sehen, was ich tue“ stimmen Unternehmer sehr viel stärker zu als Angestellte. Hingegen stimmen beide Gruppen der allgemeineren Aussage „Ich trete gerne in einen Wettbewerb“ gleich häufig zu. Der Zusatz „wenn andere sehen, was ich tue“ macht also einen großen Unterschied aus. Beide Gruppen halten außerdem kompetitives Verhalten für einen Unternehmer passender als für einen Angestellten. Es sind also vor allem Rollenerwartungen, die das Verhalten von Unternehmern bei Beobachtbarkeit der eigenen Entscheidungen beeinflussen. Selbiges gilt auch für Angestellte, nur eben in gegenteiliger Richtung (weil für sie in der Öffentlichkeit Wettbewerbsfreudigkeit als weniger passend wahrgenommen wird).

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