Die Natur spielt die wildesten Stückerln“ – Als ich diesen Spruch auf der Universität zum ersten Mal hörte, brauchte ich einige Zeit, bis ich seine volle Bedeutung erfasst hatte. Sollte denn die Natur nicht Gesetzmäßigkeiten folgen, die kaum eine Ausnahme zulassen? Freilich sorgen Mutationen und Fehler im genetischen Code für das Entstehen neuer Arten. Aber bereits damals war das Konzept der sprunghaften Veränderungen Geschichte, und die Evolution wurde als langsamer Prozess in kleinen Schritten erkannt. Erst im Laufe des Studiums lernte ich: „Rechne immer mit dem Unvorhergesehenen, mit Phänomenen, die nicht im Lehrbuch stehen“. Und natürlich verlangt alles, was aus der Norm fällt, nach einer schlüssigen Erklärung.
Als das Foto einer Eidechse mit zwei Schwänzen in der inatura eintraf, war ich daher nicht wirklich überrascht. Zwar hatte ich Vergleichbares noch nie gesehen, aber ich fühlte mich an die Naturmuseen früherer Zeiten erinnert, die mit doppelköpfigen Rehen und ähnlichen zur Schau gestellten Missbildungen eher Kuriositäten-, oder besser Gruselkabinetten ähnelten. Und wieder musste eine Erklärung für dieses außergewöhnliche Tier gefunden werden, denn unter die mir bekannten Monstrositäten ließ sich diese Eidechse nicht einordnen.
Die Frage nach der Art war schnell geklärt: Am Fundort lebt seit längerem eine Kolonie von Mauereidechsen (Podarcis muralis). Diese Art zählt nicht zu den heimischen Tieren. Sie wurde vielleicht unbewusst nach